Silvia Habedank:

Placebo-Effekt: Heilen Gedanken besser als Medizin?

Persönlichkeitsentwicklung / 3.6.2019 / 0 Kommentare

Der Placebo-Effekt

Es gibt sie als Tabletten, Kapseln, Dragees, Salben und auch Spritzen: Placebos. Die sogenannten Leerpräparate beinhalten Stärke oder Milchzucker und dürften keine Wirkung bei Patienten auslösen, tun es aber trotzdem.

Im 2. Weltkrieg wurden die Scheinmedikamente entdeckt. Es standen keine ausreichenden Schmerzmittel zur Verfügung und so verabreichten Ärzte den Verletzten Kochsalzlösungen. Im Glauben, die Beschwerden seien behandelt, gaben die Patienten an, Linderung zu spüren.

Galeniker heißen die Fachleute, die sich um das Aussehen, also um die Größe, die Farbe und das Design von Medikamenten kümmern. Sie wissen, welche Placebos am besten wirken: Farbige wirken besser als weiße, ovale besser als runde, bittere besser als neutral schmeckende und kleine besser als große.

Auch vorgetäuschte Akkupunkturbehandlungen beeinflussen das Wohlbefinden von Patienten positiv. Dabei schieben sich die Nadeln in sich zusammen und gelangen nicht unter die Haut. Aber nicht nur das. Das New England Journal of Medicine berichtete unlängst über die Behandlung von 180 Arthrose-Patienten. Nur jeder Zweite erhielt tatsächlich eine Knie-Operation; den anderen Patienten wurden lediglich zwei oberflächliche Ritze ins Knie geschnitten. Anschließend fühlten sich ausnahmslos alle Patienten besser. Weltweite Studien bestätigen, dass bei 90 Prozent der durch eine Schein-Operation Behandelten die Beschwerden gelindert oder behoben sind.

Hoffnung und Erwartung lösen Selbstheilung aus.
Welche Erklärungen gibt es für diese Auswirkungen? Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Placebos ist es, dass der Patient unbedingt sieht, dass er behandelt wird. Denn nur das Erleben und das Bewusstmachen schüttet im Gehirn Endorphine – die körpereigenen „Glücksstoffe" – aus.

Bei Schmerzpatienten binden sich diese an Rezeptoren im schmerzleitenden Nervensystem und senken dessen Aktivität. Das Großhirn nimmt keine Reize mehr wahr und der Mensch keinen Schmerz. Denselben Effekt hat übrigens auch das schmerzstillende Morphium. Endorphine können auch die sogenannten T-Zellen unseres Immunsystems aktivieren und somit den Heilungsprozess beschleunigen.

Ob Schmerzen, Husten, Schlaflosigkeit, Übelkeit, Kreislauferkrankungen – der Erfolg einer Behandlung hängt nicht allein von der Placebo-Therapie ab. Vertraut der Patient seinem Arzt, wird er von ihm ernst genommen, ist der Arzt zuversichtlich und nimmt sich Zeit, dann ist die Behandlung noch erfolgreicher. Die Verabreichung von Medikamenten durch den Arzt ist beispielsweise deutlich wirksamer als durch eine Schwester/einen Pfleger.

Mindestens genauso beeindruckend wie der Placebo-Effekt ist der Nocebo-Effekt. Mit Nocebo werden die unerwünschten Wirkungen der Placebos bezeichnet. Sie entstehen insbesondere dann, wenn ein Arzt gezielt auf mögliche Nebenwirkungen (z.B. Mundtrockenheit, Kopfschmerzen) des Präparates

hinweist. Auch hier spielt die Erwartung des Patienten eine wichtige Rolle. In einem Experiment sagten Ärzte ihren Patienten, sie würden ein neues Brechmittel testen. Tatsächlich erhielten die Versuchspersonen nur Zuckerwasser. Trotzdem mussten sich 80 Prozent der Studienteilnehmer übergeben.

Das Prinzip lautet: Was wir erwarten, stellt sich ein.
Das Unterbewusstsein des Menschen ist bis heute in vielen Teilen noch ein Rätsel. Der US-Forscher Andrew Matthews weiß jedoch: „Es spielt für unser Unterbewusstsein keine Rolle, ob das, was es für wahr hält, auch wahr ist. Die Ergebnisse hängen nur davon ab, was unser inneres Programm für richtig hält."

Was für die Anwendung von Placebos und den Heilungsprozess gilt, trifft auch für unser Leben zu. Es beschert uns im Großen und Ganzen das, was wir erwarten. Wer ständig an eine glückliche Partnerschaft, an ein ausgeglichenes und zufriedenes Leben, an einen beruflichen Erfolg oder an einen gesunden Körper denkt, entwickelt eine unbewusste Erwartungshaltung, die das Gewünschte nach sich zieht.

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